Donnerstag, 16. April 2015

Barcelona kulinarisch

Lust auf perlenden Cava, traumhafte Tappas und malerische Märkte? Lust auf bombastische Brunchs, schmelzende Schokolade und katalanische Kaffeekunst? Lust auf klasse Küche, wunderbare Weine und köstlichen Käse? Willkommen in Barcelona. Und wenn Sie dazu noch Lust auf herzliche Gastfreundschaft, inspirierendes Design, hochstehende Kunst und das weite, blaue Meer haben dann müssen Sie unbedingt nach Barcelona. So wie wir.


Plaça de Catalunya


Abfahrt, letzten Dienstag, um 8h30, bei wunderbarem Wetter. Wir entscheiden uns nicht die A7 via Avignon und Montpellier zu nehmen sondern durch das Massive Central und über die Pont de Millaut zu fahren. Dort machen wir auch Halt für eine Mittagspause. Zu unserer grossen Überraschung gibt es kein liebloses, schlabbriges Raststätten-Sandwich (welches ich sowieso nicht gegessen hätte (lieber hungern!)) sondern gediegenen Fastfood. Vom 3 Michelin-Sterne-Koch Michel Bras entworfene Capucin und dazu seine Holunderlimonade. Gestärkt mit regionalen Produkten fahren wir dann weiter bis nach Barcelona. Die auf airbnb gemietete Wohnung entspricht unseren Erwartungen und wir machen's uns gemütlich. Frisch ausgeruht geht's los zu einem ersten Stadtbummel, die Passeig de Gràcia runter bis zur Plaça de Catalunya. Vorbei an Edelboutiquen wie sie auf der ganzen Welt zu finden sind entdecken wir bereits die ersten, von Gaudi beeinflussten Jugendstil-Bauten wie die Casa Batlló, hier in einem prämierten Video.  Planlos schlendern wir durch das Universitätsquartier und landen schlussendlich vor der Eingangstür des "bestgehüteten Geheimnisses von Barcelona" dem Accés-Restaurant wo wir einen Tisch reserviert hatten. Die Adresse des bestgehüteten Geheimnisses hat uns ein Freund, Didier Mézières von der deliziösen Crêperie Chez-toi in Zürich, verraten. Er kennt nämlich Fabian Quiles, den Chefkoch des Accés. So lassen wir uns mit wirklich traumhaften Ochsenschwanz-Canneloni verwöhnen, vielleicht die beste Vorspeise unseres viertägigen Barcelona-Besuches. Zum Hauptgang gibt es zarteste, niedergegarte Lammschulter mit Gemüse-Couscous. Das Preis/Leistungsverhältnis ist sehr gut. Satt vom ausgezeichneten Essen und müde von der langen Fahrt gehen wir zufrieden zu Bett.

Um diesen Artikel nicht unendlich in die Länge zu ziehen beschränke ich mich lediglich auf die Abendessen. Wer etwas über die bombastischen Brunchs und die katalanische Kaffeekunst erfahren möchte der wird auf dem Blog von Kaffa Wildkaffee fündig.

Auch am zweiten Abend folgen wir einem Tipp von Didier, diesmal geht's zu einem alten Bekannten von ihm. Nicolas empfängt zusammen mit dem Koch Javier im ganz intimen Rahmen im 3. Stock einer alten Industrieloft aus dem 19. Jahrhundert. Die Hidden Factory ist kein gewöhnliches Restaurant, maximal 9 Leute sitzen auf drei Seiten einer grossen Tafel. An der vierten Seite steht Javier und bereitet vor unseren Augen die Menus vor. Bei uns gab es ein 7 gängiges Degustationsmenu: l'Art nouveau und die katalanische Küche im 19. Jahrhundert. Nicolas serviert, erklärt, unterhält, schenkt nach, räumt auf, die zwei sind ein eingespieltes Team. Javier, ehemals Orchestermusiker, musste wegen Gelenkbeschwerden den Beruf wechseln. Virtuos und mit viel Hingabe spielt er heute auf dem Kochherd, seine Einsätze sind perfekt und die bravourös aufgeführten Stücke vereinen sich zu einem harmonischen Meisterwerk. Ein Abendessen hier ist mehr ein unterhaltsames Gesamtkunstwerk als ein rein gastronomischer Höhepunkt. Wir essen köstliche Spargeln, geräucherte Steinpilze mit Linsenkaviar, fantastischen Fisch, Bellota-Schinken, mit Huhn gefüllte Canneloni, niedergegartes Gitzi-Rack und ein originelles Dessert aus selbstgemachtem Frischkäse. Das war natürlich nicht alles sondern jeweils nur ein Teil eines Ganges. Es war wirklich köstlich aber es war vermutlich ein Gang zuviel. Der Preis von 75€ für alles inklusive ist sehr korrekt. Schade nur, gab es am Schluss keinen Kaffee.

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Der dritte Tipp kam von Hans Georg Hildebrandt. Genau, das ist der, der das beste aller Tonics produziert, das Gents. Auf Leute mit Geschmack kann man sich verlassen und deshalb haben wir am dritten Abend das Mam I Teca gebucht. Eine kleine Eckbar mit drei, vier Tischchen, ein paar Hocker rundrum und einer Auswahl an sicher über 200 Spirituosen hinter der Bar. Elf Sitzplätze, ohne die 5 an der Bar. Kleiner geht es kaum. Die Küche ist einfach, aber gut. Nein, sehr gut, sensationell gut, würde ich sogar sagen. Es ist schwieriger mit ganz einfachen Produkten hervorragend zu kochen als mit Luxusprodukten. Zur Vorspeise gab es Oliven, Padron, das sind kleine grüne, gebratene und mit grobem Salz bestreute Peperoni, Thon, Sardellen in Öl und Sardellen in Essig. Nichts aufregendes, aber in erstklassiger Qualität. Zum Hauptgang gab es einmal Kichererbsen und Schweinsbratwurst und einmal Rührei mit Spargeln und Rohschinken. Dazu eine Flasche besten Cava. Mehr braucht der Mensch nicht um glücklich zu sein. Das Schoko-Orangen-Törtchen war der perfekt Abschluss. Im Mam I Teca wird nach der Slow Food-Philosophie gekocht. Die Produkte kommen alle aus einem Umkreis von weniger als Hundert Kilometer. Wenn ich in Barcelona leben würde, würde ich mindestens einmal pro Woche dort essen gehen. Toll fanden wir auch die prominent platzierte Einladung, gleich hier im Restaurant Slow Food-Mitglied zu werden. Wäre schön, wenn sich der eine oder andere Wirt in der Schweiz davon inspirieren lassen würde ... Für den anschliessenden Schlummertrunk empfehlen wir das zurzeit absolut angesagte 33/45, gleich um die Ecke.

Bleiben wir doch gleich bei Slow Food. Der vierte, und für uns letzte Tipp, denn leider mussten wir wieder nach Hause, kam von Präsidenten von Slow Food Bern, Raphael Pfarrer. Er schlug uns die gediegene Bar Cañete vor, unweit der berühmt berüchtigten Rambla. Eine Tapas-Bar als krönender Abschluss. Und was für ein Abschluss. Wir haben fantastische dreieinhalb Stunden auf den bequemen Barhockern verbracht. Geschmaust, was die Karte hergab (die Gemüse-Cocotte mit pochiertem Ei war eines der Highlights oder die Bombon genannte geschmorte Schweinebacke), die souveräne und gutgelaunte Service-Crew bewundert (rund 12 Leute waren hinter der Bar aktiv), gelacht, getrunken, diskutiert und uns verwöhnen lassen. Für das Dessert hatte es fast keinen Platz mehr, wir haben es uns geteilt.

Wir haben in diesen 4 Tagen wunderbar gegesssen, frei nach dem Motto: Man muss dem Körper etwas bieten, damit die Seele Lust hat darin zu wohnen. Herzlichsten Dank dafür, Didier, Hans Georg und Raphael.

Und wer Barcelona sagt und, so wie wir, gerne gut isst, der muss natürlich unbedingt einen Besuch auf dem eindrücklichsten aller Quartiermärkte, der Boqueria machen. Nur zwei Schritte von der Rambla entfernt ist dieser ein grosses Touristenmagnet. Es gibt unzählige Stände mit fast dem gleichen Angebot an Früchten und frisch gepressten Fruchtsäften und unzählige Stände mit Patta negra-Rohschinken. Dazwischen gibt es aber auch ein unheimlich reiches Fischangebot und allerlei Delikatessen erster Güte, wenn man sich Zeit nimmt sie zu suchen. Wir waren ebenfalls auf dem Mercat Santa Caterina weil wir einen weniger touristischen Markt sehen wollten. Auch hier war das Fischangebot erstklassig, es gab ausgezeichnete Käsegeschäfte (einer führte sogar Gruyère der Freiburger Käserei Moléson und Raclette aus dem Val de Bagne), Wurst- und Rohschinken, Gemüsehändler, eine gemütliche Tapas-Bar und ein einladendes Markthallen-Restaurant. Eine richtige Quartier-Markthalle mit unaufgeregtem Charme.

Natürlich haben wir in diesen vier Tagen nicht nur gegessen. Wir haben uns die Füsse platt gelaufen und auch mal die schwarzen Taxis mit den gelben Türen genommen (meist günstiger als die U-Bahn mit einem Einzelticket). Wir waren am Strand wo es vermutlich mehr Tücher-, Mojito- und Sangria-Verkäufer aus Afrika gab wie Touristen und Einheimische zusammen. Wir haben die Gondelbahn über den Hafen genommen und die Sagrada Família besucht. Obwohl diese eine unvorstellbare Baustelle ist und keinerlei die Ruhe eines Gotteshauses austrahlte war sie doch wirklich SEHR eindrücklich. Barcelona hat uns sehr gut gefallen, wir kommen gerne wieder! Dann werden wir ganz sicher das Carballeira ausprobieren, welches ausgezeichnete Fischküche und, weils gerade Saison ist, weisse Spargeln aus Navarra im Angebot haben soll.

2 Kommentare:

Alexaaandraaa hat gesagt…

Dass die Taxis günstiger sind als die U-Bahnen erstaunt mich aber... Ist das so, weil die Taxis einfach günstig sind, oder sind die Bahnpreise so hoch?

Ich finde diesen Post einfach super und dieses Essen, obwohl ich vor einer Stunde Mittag hatte, habe ich wieder Hunger bekommen!
Diese Tipps muss man sich doch merken..

Liebste Grüße,
Alexandra von growing-in-self-confidence.blogspot.de

sven ahlborn hat gesagt…

liebe alexandra,

herzlichen dank für deinen kommentar über den ich mich sehr gefreut habe. wir sind einmal mit dem taxi "nach hause" gefahren und haben knapp 7 euro bezahlt. ein andermal wollten wir die u-bahn nehmen und das einzelticket kostet knapp 3 euro, für 3 personen war das taxi also günstiger. wenn man aber 10 tickets auf's mal kauft kostet's nur noch rund 1 euro, wenn mir recht ist.

herzliche grüsse,
sven